Wertvolle Tipps für eine effektive Lageroptimierung

Eine erfolgreiche Lageroptimierung bringt entscheidende Wettbewerbsvorteile. Ziele können z.B. die Erhöhung der Lagerkapazität, die Verkürzung der Zugriffszeiten und die Steigerung der Umschlagszahlen sein.

Die Optimierung der Geschäftsprozesse und Logistik im Unternehmen ist aufgrund des internationalen Wettbewerbsdrucks, der Entwicklung neuer Technologien mit disruptivem Potenzial und der krisengeschüttelten Zeiten unvermeidbar. Wer seine Prozesse verschlanken und beschleunigen sowie flexibel (agil) gestalten kann, hat besser Chancen auch in Zukunft zu überleben. Natürlich besteht auch in Lagern häufig großes Optimierungspotenzial. Der operative Logistikleiter muss sich dabei genau über die Ziele der geplanten Lageroptimierung im Klaren sein. 

Welche Ziele verfolgt die Lageroptimierung?

Besonders in Zeiten des E-Commerce mit seinen hohen Anforderungen wie z. B. kurze Umschlags- und Lieferzeiten, große Artikelzahl mit häufig kleiner Losgröße, hohe Retourenquote und Liefertreue muss ein Lager mit den zugehörigen Arbeitsabläufen sehr effizient gestaltet werden. Ziele der Lageroptimierung sind daher das Vorhalten von möglichst ausreichenden, aber optimierten Beständen, um die Kapitalbindung so klein wie möglich zu halten. Zudem muss die Lagerfläche bzw. der Lagerraum möglichst optimal genutzt werden. Hier spielt auch die Auswahl des richtigen Lagersystems wie z. B. eines Hochregallager oder einer Mehrgeschossanlage (MGA), etc. eine große Rolle. Ein weiteres Ziel der Lageroptimierung ist, die Zugriffszeiten zu verkürzen und die Umschlagsleistung zu erhöhen. Das heißt, es muss genau bekannt sein, wo sich ein Artikel in ausreichender Menge im Lager befindet. Zudem muss ein leichter und schneller Zugriff gewährleistet sein. Ein effizientes Lagersystem garantiert genau das, wobei zudem die Transport- und Laufwege minimiert, Ressourcen genutzt und die Lieferflexibilität und -qualität erhöht wird. Außerdem werden durch ein effizientes Lager bzw. Lagersystem die Kosten für die Lagerhaltung gesenkt, generell die Flexibilität und die Anpassungsfähigkeit an geänderte Rahmenbedingungen gesteigert und die Sicherheit für die Mitarbeiter erhöht. Bevor Sie also eine Optimierung des Lagers durchführen, sollten Sie sich genau über Ihre primären und sekundären Ziele dabei bewusstwerden. Soll in erster Linie der Lagerraum vergrößert bzw. das Lager verdichtet werden? Sollen primär die Ein- und Auslagerungszeiten verkürzt und Umschlagszahlen erhöht werden? Wollen Sie generell die Flexibilität des Lagersystems erhöhen? Welches Bestreben Sie auch immer verfolgen, der Erfolg ihres Vorhabens hängt stark von der Qualität der erhobenen Daten ab. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn ein digitaler Zwilling zur Optimierung verwendet wird (1). Alle durchgeführten Arbeitsabläufe und Aufgaben müssen genau quantifiziert werden. Beispielsweise muss gemessen werden, wieviel Zeit für die jeweilige Aufgabe aufgewendet wird. Ist der jeweilige Arbeitsablauf notwendig oder kann er wegfallen bzw. automatisiert werden? 

Prozesse effizienter gestalten

Um Arbeitsabläufe im Unternehmen und Lager effizienter zu gestalten, sollten Sie genau überprüfen, ob sie automatisiert werden können. Nicht alle Prozesse eigenen sich zur Automatisierung (2). Ideale Voraussetzungen für eine Prozessautomatisierung sind: 

  • ein durchgängiger Betrieb (24/7) des Lagers 

  • eine klare Validierung der Soll-Prozesse 

  • keine bzw. sehr kleine saisonale Schwankungen 

  • Bestehen einer lange Planungssicherheit bezüglich der Anforderungen an das Lager (Gebinde, Losgrößen, Durchsatz) 

Die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen nimmt auch aufgrund von Industrie 4.0 in der Intralogistik rasant zu. U. a. sind FTS, Lagerführungssysteme, Cloud basierende Lösungen, sowie Blockchain-Technologien auf dem Vormarsch. Lagerverwaltungssysteme (LVS), Warehouse Management Systeme (WMS) und Fahrerlose Transportsysteme (FTS) bieten die beste Voraussetzung, um die Intralogistik eines Unternehmens für eine digitale und automatisierte Zukunft umzurüsten. Ein WMS ist wesentlich komplexer als ein LVS und bildet die kompletten innerbetrieblichen Material- und Informationsflüsse digital ab. Unternehmen, die ein WMS bzw. LVS einsetzen, besitzen einen entscheidenden Vorteil gegenüber analogen Wettbewerbern auf dem Markt. Immer mehr Lagerprozesse können aufgrund des WMS digitalisiert und automatisiert und später u. a. via Künstliche Intelligenz (KI) optimiert werden. Der Einstieg in das digitale Lager via WMS bringt sofort direkte Vorteile. Dazu gehören u. a. die Transparenz aller Daten und Bestände, die Echtzeitsteuerung und Kosten- und Zeiteinsparungen. Aufgrund des WMS können automatische Lagersysteme eingesetzt und beispielsweise auch eine chaotische Lagerstrategie umgesetzt werden. 

Lagerkapazität erhöhen

Die Lagerkapazität lässt sich einerseits durch die Einführung der chaotischen Lagerhaltung und anderseits durch Kompaktlagersysteme erhöhen. Die Voraussetzung für die Einführung der chaotischen Lagerhaltung ist - wie schon erwähnt - die Anschaffung eines WMS bzw. LVS. Bei der chaotischen oder auch dynamischen Lagerhaltung besitzt die einzulagernde Ware keinen festen Lagerplatz. Die Ware wird auf beliebige, gerade nicht belegte, Lagerplätze eingelagert. Dies ist nur mit einem digitalen WMS zu bewältigen. In einem statischen Lagersystem entstehen immer ungenutzte Lagerplätze, da Artikel nur an einem bestimmten Lagerplatz eingelagert werden dürfen. Daher sind diese Lagerplätze meist nie voll ausgelastet oder es existiert zu wenig Platz. Bei der chaotischen Lagerung kann auf jeden freien Platz ausgewichen werden. Daher werden alle Lagerplätze effektiv genutzt und somit die Lagerkapazität gesteigert. 

Ein Kompaktlagersystem ist grundsätzlich ein System, bei dem mehrere Lagereinheiten hintereinander stehen, sprich mehrfachtief gelagert werden. Im einfachsten Fall wird dies durch ein Blocklager verwirklicht. Andere teilweise automatisierte Varianten sind das Hochregallager, Kanallager, MGA, Einfahr- oder Durchfahrregale, Durchlaufregale, Verschieberegale, Shuttle-Lager, Autostore, u. a.. Die höchste Lagerdichte bzw. optimale Ausnutzung der Lagerfläche erreicht dabei aufgrund des Verzichts auf Lagergänge das Autostore. Hier fahren Roboterfahrzeuge auf einem sog. Grid. Zudem ist es flexibel anpassbar und steigert die Umschlagsleistung ungemein. Es wird häufig in Micro-Fulfillment Centern (MFC) für die schnelle und effiziente Abwicklung von Kleinteilebestellungen eingesetzt (5). 

Zugriffszeiten verkürzen und Umschlagsleistung erhöhen

Durch ein LVS bzw. WMS lassen sich auch die Zugriffszeiten optimieren bzw. die Umschlagsleistung des Lagers erhöhen. Einerseits führen natürlich automatische Lagersysteme mit Regalbediengeräten (RGB) und Shuttle zu kurzen Zugriffszeiten, anderseits werden sie durch eine Wegeoptimierung und optimale Lagerstrategie verkürzt. 

Die Umschlagsleistung (Lagerumschlagshäufigkeit) wird auf der technischen Seite stark vom eingesetzten Lagersystem, der Lagergeometrie und der entsprechenden Steuerung beispielsweise durch ein WMS bestimmt. Sie entspricht der Anzahl der Ein- und Auslagerungen pro Zeiteinheit. Mit der simplen Formel 

Lagerumschlagshäufigkeit = Lagerabgänge /∅ Lagerbestand 

lassen sich die Beziehungen verdeutlichen. Hat ein Unternehmen sehr viele Winner-Produkte im Programm, dann steigt die Anzahl der Lagerabgänge beträchtlich. Allerdings muss auch eine leistungsfähige (automatisierte) Lagertechnik existieren, um die hohe Anzahl der Aufträge schnell bewältigen zu können. Die Lagerbestände können niedrig gehalten werden, indem ein optimales Lagerbestandsmanagement mit einem WMS durchgeführt wird. 

Flexibilität des Lagersystems erhöhen

Eine flexible Anpassung an Auftragsschwankungen und saisonale Schwankungen ist besonders im E-Commerce sehr wichtig. Grundsätzlich sind Fachboden- bzw. Palettenregalsysteme auch bei saisonalen Schwankungen einfach flexibel erweiterbar und anpassbar. MGA sind an den vorhandenen Lagerraum anpassbar und nutzen die Höhe gut aus. Sie sind durch zusätzliche Geschosse und Zubehör wie Lifte und Wendelrutschen flexibel erweiterbar. Bei diesem System kann gleichzeitig auf mehreren Geschossen durch Mitarbeiter kommissioniert werden. Kompaktlager wie Shuttle-Lager und Autostore sind modular erweiterbar - und zwar auch saisonal ohne Betriebsunterbrechung. Sie sind an die Raumbedingungen (individueller Entwurf) anpassbar und können wie z. B. beim Autostore durch Zufügen von Shuttles, Behältern und GRID-Erweiterungen skaliert werden. 

Optimierung der Bestände

Häufig halten Unternehmen zu hohe Lagerbestände vor. Das kann passieren, wenn Waren nicht oder nicht ausreichend verkauft oder nur saisonal verkauft werden. Für diese Produkte werden dann zu hohe Sicherheitsbestände vorgehalten. Dies führt allerdings zu einer hohen Kapitalbindung, hohen Lagerkosten und verminderten Liquidität des Unternehmens. Allerdings kann der Lagerbestand durch geschickte Maßnahmen optimiert werden (6). Durch Segmentierung mithilfe der ABC-XYZ-Analyse können Ladenhüter gefunden werden. U. a. kann das Bestellverhalten für einzelne Waren angepasst werden, Mindestmengen gefunden und verbesserte Lieferantenkonditionen kontinuierlich ausgehandelt werden. Generell führt der Einsatz eines LVS bzw. WMS zur besseren Transparenz der Bestände, einer optimaleren Organisation des Lagers und der Arbeitsabläufe sowie zu einer einfacheren Lageroptimierung. 

Eine Predictive Analytics-Software analysiert Daten aus der gesamten Lieferkette, sagt Kundenverhalten und -nachfrage für einzelne Produkte voraus sowie Risiken und Chancen in der Zukunft. Z. B. kann aus den Daten und dem Kundenverhalten der letzten Weihnachtssaisons die künftige Nachfrage für jedes Produkt in der bevorstehenden Weihnachtssaisons ermittelt werden. Daraus berechnet die Software zudem sichere Bestände für die jeweiligen Produkte. Durch die Methode können Fehlmengen und Überbestände für einzelne Produkte durch Nachfragevorhersagen vermieden werden. Durch Analyse des Kaufverhaltens der Kunden können „sichere“ Bestände ermittelt und bessere Entscheidungen für die Vorratslagerung getroffen werden. 

Optimierung des Lagers mit dem Digital Twin

Das Lager lässt sich auch mithilfe eines digitalen Zwillings optimieren (7). Das jeweilige Lager wird dafür detailgetreu virtuell abgebildet. Der digitale Zwilling gibt die Lagersituation aller Artikel in Echtzeit wieder. Dazu werden zudem alle Transportfahrzeuge z. B. mit LIDAR und IOT-Sensorik für die Echtzeitlokalisierung von Ladungsgütern im Innen- und Außenlager ausgestattet. Mit dem System können Sie Lieferverzögerungen, Falschlieferungen, Produktionsunterbrechungen, Terminfehler aufgrund von Bestandsdifferenzen vermeiden. 

Literatur 

1 BITO Fachwissen, KI zur Prozessoptimierung im manuellen Lager, Link 

2 BITO Fachwissen, Wann macht Automatisierung im Lager Sinn?, Link 

3 BITO Fachwissen, Digitalisierung in der Intralogistik, Link 

4 BITO Fachwissen, Digitalisierung von Lagerprozessen mit einem WMS 

5 Effizientes Fulfillment für den E-Commerce: Micro-Fulfillment Center, Link 

6 BITO Fachwissen, Warum sollten Sie Lagerbestände minimieren?, Link 

7 Nachhaltig das eigene Lager optimieren: Wie der Digital Twin die Intralogistik auf ein neues Level hebt, Lager optimieren, Handelsblatt, Juni 2022, Link 

Diese Themen könnten Sie auch interessieren

BITO Newsletter