Sind CO2-freie Lieferketten möglich?

Unternehmen können Scope3-Emissionen entlang der Lieferkette bilanzieren und insbesondere (globale) Zulieferer dazu auffordern, ihre Emissionen offenzulegen und zu reduzieren. Zudem sollten wissenschaftsbasierte Klimaziele eingeführt werden.

Es gibt viele Gründe, warum Unternehmen ihre Lieferketten möglichst schnell dekarbonisieren sollten. Einerseits sind sie aufgrund des "Klimaschutzplans 2050" und des "Lieferkettengesetzes" der Bundesregierung dazu verpflichtet, anderseits bringt nachhaltiges ökologisches Wirtschaften auch einen Wettbewerbsvorteil mit sich. 

Durch das Pariser Klimaschutzabkommen vom 12. Dezember 2015 soll die menschengemachte durchschnittliche Erderwärmung auf deutlich unter 2°C gegenüber vorindustriellen Werten begrenzt werden. Zudem sollen langfristig nur noch „Netto-Null-Emissionen“ zugelassen werden. Die Ziele aus dem Paris-Abkommen hat die Bundesregierung in ihrem „Klimaschutzplan 2050“ aufgenommen (1). Gemäß dem Plan will Deutschland bis 2050 weitgehend treibhausgasneutral bzw. CO2-neutral werden. Das ist allerdings ohne den Verkehrs- und Logistikbereich nicht zu schaffen. Bis 2030 sollen hier die Treibhausgas- bzw. die CO2-Emissionen um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Bis 2050 sollen alle Unternehmen klimaneutral sein. 

Am 1. Januar 2023 trat das bereits verabschiedete sog. Lieferkettengesetz endgültig in Deutschland in Kraft (2). Die Einhaltung der Gesetze wird seither vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr (BAFA) der Bundesregierung überwacht. Das Lieferkettengesetz soll deutsche und internationale Unternehmen zur Verantwortung für ihre gesamte Lieferkette und Ausübung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten je nach den gegebenen Einflussmöglichkeiten verpflichten. Der Umweltschutz wird mit dem Gesetz indirekt erfasst, wenn Umweltrisiken zur Verletzung von Menschenrechten führen könnten. Auch ein EU-Lieferkettengesetz soll künftig verabschiedet werden. Die Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte, die Umwelt und die gute Unternehmensführung bei ihrer Produktion und ihren Geschäftsbeziehungen zu vermeiden. 

Wie können Lieferketten CO2-neutral werden?

80 bis 90 Prozent des CO2-Ausstoßes werden entlang der Lieferkette erzeugt. Das heißt neben den direkt vom Unternehmen verursachten Emissionen müssen insbesondere die indirekten (Scope 3)-Emissionen ermittelt und gesenkt werden. Als Scope 3-Emissionen werden laut dem Greenhouse Gas (GHG) Protocol alle indirekten Treibhausgas-Emissionen bezeichnet, die entlang der Wertschöpfungskette des Unternehmens entstehen (3). Dies schließt alle vor- und nachgelagerten Emissionen ein. Emissionen, die Scope 3 zugerechnet werden, müssen bisher nicht bilanziert werden. Obwohl die Erfassung optional ist, sind sie für den ganzheitlichen und nachhaltigen Klimaschutz von großer Bedeutung. Aufgrund der großen Anzahl der beteiligten Akteure und Prozesse kann die Bilanzierung von Scope 3-Treibhausgasen sehr komplex und aufwendig werden. Grundsätzlich müssen unbedingt Emissionsziele für alle (globalen) Zulieferer festgesetzt werden (4). Die Emissionen der Zulieferer machen durchschnittlich 74 Prozent des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens aus. 

Maßnahmen um den CO2-Ausstoß zu reduzieren

Es existieren verschiedene Schlüssel-Maßnahmen, um die Treibhausgase bzw. CO2-Emissionen in der Lieferkette - sprich in der Produktion, bei der Herstellung der Produkte und beim Transport - zu senken. Zunächst müssen Lieferanten bei Ausschreibungen ausgewählt werden, die ihren Treibhausgas- bzw. den CO2-Ausstoß berechnen und bilanzieren. Die (neuen) Anforderungen müssen vor der Ausschreibung natürlich frühzeitig kommuniziert werden. Maßnahmen zur nachhaltigen Rohstoffbeschaffung, wie z. B. Holz aus einem nachhaltigen Forstwirtschaftsbetrieb, führen zur weiteren Reduktion der Treibhausgas- bzw. CO2-Emissionen. Auch die sog. Grüne Logistik stellt einen großen Hebel bei der Emissionsreduktion dar. Hier muss das jeweilige Unternehmen alle Logistik-Prozesse genaustens betrachten und durch Grüne Logistik ersetzen. Die vor- und nachgelagerte Logistik muss detailliert analysiert werden. So können beispielsweise eine Routen- und Flottenoptimierung, alternative Kraftstoffe und grüne E-Mobilität implementiert werden. Auch die Auswahl von entsprechenden grünen Logistikern und grünen Logistikplattformen, die CO2-Emissionen ausweisen, soll hier in Betracht gezogen werden. Die einzelnen Lieferantenstandorte sollen energie- und ressourceneffizient werden. Beispielsweise können Metalle wie Stahl, Aluminium und Kupfer aus recyceltem Schrott 60 bis 90 Prozent weniger energieintensiv sein als bei der Herstellung aus Metallerzen. Besonders wenn dazu noch umweltfreundliche alternative Energie eingesetzt wird, kann sehr viel CO2 eingespart werden. Lieferanten können dazu verpflichtet werden, bei ihren Prozessen umweltfreundliche erneuerbare Energien zu nutzen. Größere Betriebe können den Lieferanten helfen, z. B. Solarenergieanlagen auf Hallendächern zu installieren. Eine weitere Maßnahme ist das Festlegen von wissenschaftlich begründeten Klimazielen für Zulieferer. Dazu wird die benötigte Reduktionsleistung innerhalb der eigenen Branche und des eigenen Betriebs berechnet, um die globale Erwärmung effektiv auf zwei Grad zu begrenzen. Es geht also um die CO2-Reduktion, die notwendig ist, um die Pariser-Klimaziele zu erreichen. Weltweit haben sich bisher mehr als tausend Firmen zu wissenschaftsbasierten Klimazielen verpflichtet. 

Integrierte Lebenszyklusanalyse bei Produktdesign

Bereits wenn ein Produkt virtuell beispielsweise via CAD geplant wird, wird durch eine integrierte Lebenszyklusanalyse auch die CO2-Bilanz erstellt (5). Bevor das Produkt überhaupt gefertigt wird, kann daher noch nachgebessert werden. Beispielsweise kann die Produktion dementsprechend verändert werden, dass CO2 reduziert wird. Der Einsatz von Leichtbau-Technologie ist insbesondere bei langlebigen Produkten mit langer Nutzungsphase und hohem Energieverbrauch oder bei Massenprodukten zur Gewichtssenkung sinnvoll. Das Ziel ist, den Leichtbau nachhaltig sinnvoll einzusetzen, damit er einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. 

Kompensation von CO2 via Zertifikate

Die einzige Industrie die CO2-positiv ist, ist die Forstwirtschaft. Alle anderen Industrien bzw. Betriebe dieser Industrien müssen eine Restmenge an CO2 (negativer CO2-Fußabdruck) kompensieren. Dabei erfolgt die Kompensation über die Verringerung von Treibhausgas-Emissionen an anderer Stelle oder durch die dauerhafte Speicherung von CO2 in Kohlenstoffsenken. Beispiele sind Klimaschutzprojekte wie die Aufforstung, CO2-Speicher im Ozean, alternative Energieerzeugung (z. B. in Entwicklungsländern), etc., die den Ausstoß von Treibhausgasen vermeiden. Vom jeweiligen Klimaschutzprojekt können von den Unternehmen Zertifikate gekauft werden. Ein Zertifikat steht z. B. für eine Tonne CO2-Einsparung durch das Projekt. Falls also Firmen selbst keinen grünen ökologischen Strom z. B. aus Platzgründen erzeugen können, können durch den Kauf der Zertifikate CO2-Emissionen kompensiert werden. 

CO2-Rechner nutzen

Mithilfe eines CO2-Rechners (6) kann ein Betrieb seinen CO2-Fußabdruck und die Höhe der benötigten Kompensation berechnen. Bei der Berechnung werden der Brennstoff- und Energieverbrauch, der Stromverbrauch, eine evtl. eigene Erzeugung von erneuerbaren Energien (Photovoltaik, Windräder), der Kältemittelverbrauch im eigenen Fuhrpark, etc. ermittelt. Darüber hinaus werden auch künftige CO2-Einsparpotenziale für die Nachhaltigkeit und Umwelt aufgezeigt. Die Kompensation sollte immer nur für den nicht vermeidbaren CO2-Ausstoß erfolgen. 

Mit CO2-Rechnern können auch detaillierte Betrachtungen der CO2-Bilanzen von Verkehrsmitteln wie z. B. dem Güterverkehr bzw. -transport oder auch einzelner Produktionsabläufe berechnet werden. Die Höhe der Treibhausgas-Emissionen im Güterverkehr wird bezogen auf den jeweiligen Verkehrsträger in Gramm/ Tonnenkilometer (tkm) angegeben. Sehr gut schneiden hier Güterzüge mit 17 g/ tkm ab (7). 

Für die Berechnung wird das sog. CO2-Äquivalent benutzt. Die unterschiedlichen Treibhausgase, die entlang der Wertschöpfungskette eines Unternehmens entstehen, werden als CO2-Äquivalent (CO2-e in Tonnen) erfasst. Das relative Treibhauspotenzial CO2-e beschreibt die Auswirkungen der verschiedenen Treibhausgase auf das Klima. Um verschiedene Treibhausgase vergleichen zu können, bezieht sich die Kennziffer immer auf Kohlendioxid. Das Ergebnis der Berechnung ist also nicht als direkte Kohlendioxid-Emission zu verstehen, sondern als eine Umrechnung in Vergleichswerte.

Literatur 

1 BITO Fachwissen, CO2-neutrale Logistik, Link 

2 BITO Fachwissen, Mehr Verantwortung der Unternehmen: Lieferkettengesetz verabschiedet, Link 

3 BITO Fachwissen, Nachhaltigkeit und Treibhausgasprotokol plus Übersicht „GHG und Scope 1-3-Emissionen“ 

4 Lake Devon, Sechs Hebel Für Eine CO2-Freie Lieferkette, Engie Impact, Link 

5 CO2-freie Lieferkette: So gelingt der Weg in die Klimaneutralität, Leichtbau BW, Link 

6 Entega CO2-Rechner, Link 

7 Höhe der Treibhausgas-Emissionen im deutschen Güterverkehr nach Verkehrsträgern im Jahr 2019 (in Gramm pro Tonnenkilometer), Statista, Link 

Diese Themen könnten Sie auch interessieren

BITO Newsletter