Mehr Verantwortung der Unternehmen: Lieferkettengesetz verabschiedet

Anfang Januar 2023 tritt das Lieferkettensorgfaltsgesetz endgültig in Kraft. Firmen müssen sich auf die Einführung entsprechender Maßnahmen wie z.B. die Durchführung einer Risikoanalyse vorbereiten.

Kunden werden in vieler Hinsicht in Deutschland immer bewusster und anspruchsvoller. Die Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit von Produkten und Unternehmen steht im Fokus der Öffentlichkeit und der Verbraucher. Zunehmend wird allerdings auch die Einhaltung der Menschenrechte und Kinderrechte bei der Produktion und entlang der Lieferkette besonders auch in Drittweltstaaten gefordert. 

Schwarze Schafe machen Lieferkettengesetz notwendig

Immer wieder fallen schwarze Schafe besonders in der Modebranche auf, die gegen Arbeits- und Menschenrechte in Europa aber auch weltweit verstoßen. Beispielsweise wurden für den Bericht "Ausbeutung Made in Europe" (2020, 1) von Clean Clothes Campaign und Brot für die Welt Lieferanten in Serbien, der Ukraine, Kroatien und Bulgarien untersucht. In diesen Ländern sind zusammen rund 120 000 Beschäftigte für Modefirmen aus Deutschland bei Zulieferern beschäftigt, die beispielsweise für Garry Weber, Esprit und Hugo Boss Modeartikel fertigen. Deutschland ist eine der größten Modehandelsnationen der Welt. Mittelost-, Ost- und Südosteuropa sind bedeutende Produktionsstandorte in der Lieferkette. Der Bericht zeichnet ein schlimmes Bild über die Verletzung von Menschenrechten und Arbeitsrechten in der Modebranche entlang der Lieferkette. Die Befragten klagen über nicht existenzsichernde und ausstehende Löhne (unter der EU-Armutsschwelle), Drohungen, Beleidigungen, Demütigungen und Einschüchterungen. Zudem kommen die Verletzung des Menschenrechts auf Gesundheit und die Nichteinhaltung von Covid-Bestimmungen sowie Arbeitsbedingungen ohne Urlaub, die chronische Müdigkeit verursachen. Es werden ebenso schlimmste Anschuldigungen wie Zwangsarbeit bei den untersuchten Hugo Boss-, Esprit- und Gerry Weber-Lieferanten in der Ukraine, Kroatien und Bulgarien sowie Repression gewerkschaftlicher Aktivitäten insbesondere beim bulgarischen Hugo Boss-Zulieferer erhoben. 

Lieferkettengesetz in Deutschland beschlossen

Laut den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 
von 2011 haben Modemarken und -händler die Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten entlang ihrer globalen Lieferketten (1). Die Verfasser des Berichts "Ausbeutung Made in Europe" folgern allerdings, dass deutsche Modemarken dieser Verantwortung nicht nachkommen und fordern verbindlich geregelte menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Unternehmen.  

Da die UN-Leitprinzipien nicht auf dem Rechtsweg durchsetzbar 
sind, mussten deutsche und EU-Unternehmen bisher keinerlei Verantwortung für Verletzung von Menschen- und Arbeitsrechten entlang ihrer Lieferketten übernehmen. Der Bundestag hat nun am Freitag, 11. Juni 2021 den Gesetzentwurf der Bundesregierung über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung angenommen (2). Am 25. Juni 2021 wurde das Gesetz vom Bundesrat gebilligt. 

Am 1. Januar 2023 tritt das sog. Lieferkettengesetz (Lieferkettensorgfaltsgesetz, LKSG) endgültig in Kraft. Die Einhaltung der Gesetze wird dann vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr (BAFA) der Bundesregierung überwacht. Das Lieferkettengesetz soll deutsche Unternehmen zur Verantwortung für ihre gesamte Lieferkette je nach den gegebenen Einflussmöglichkeiten verpflichten. Diese Verantwortungspflicht erstreckt sich auf den eigenen Geschäftsbereich und auf die unmittelbaren Zulieferer. Dabei werden mittelbare Zulieferer miteinbezogen, sobald das deutsche Unternehmen von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene „substantiierte (begründete) Kenntnis“ erhält. Laut Bundestag regelt das Gesetz auch "in welcher Form die deutschen Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht erfüllen müssen. Diese beinhaltet beispielsweise die Analyse menschenrechtlicher Risiken, das Ergreifen von Präventions- und Abhilfemaßnahmen, die Schaffung von Beschwerdemöglichkeiten sowie die Pflicht zum Bericht über die Aktivitäten." 

Im Lieferkettengesetz wird auch der Schutz der Umwelt indirekt erfasst, wenn Umweltrisiken zur Verletzung von Menschenrechten führen können. Zudem sollen zwei internationale Abkommen zum Schutz vor den Gesundheits- und Umweltgefahren durch Quecksilber und langlebige organische Schadstoffe integriert werden. 

Andere Länder besitzen ebenfalls bereits eigene Lieferkettengesetze bzw. Gesetze zum Schutz der Menschenrechte entlang von Lieferketten. Dies sind Frankreich (Loi de vigilance, Schutz der Menschenrechte), England (Modern Slavery Act) und die Niederlande (Child Labour Due Diligence Law) (3). 

Vorstoß zur Verabschiedung eines EU-Lieferkettengesetzes

Auch ein EU-Lieferkettengesetz soll verabschiedet werden. Am 10. März 2021 stimmte das Europäische Parlament mit großer Mehrheit einem Bericht über Sorgfaltspflichten von Unternehmen zu, was als Aufforderung an die EU-Kommission zur Vorlage eines entsprechenden Gesetzes galt. Das endgültige EU-Lieferkettengesetz könnte in seinen Forderungen das deutsche Lieferkettengesetz übersteigen, da es auch für Unternehmen mit weniger als 1000 Beschäftigten und für Firmen mit Sitz außerhalb der EU gelten soll. Die Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte, die Umwelt und die gute Unternehmensführung bei ihrer Produktion und ihren Geschäftsbeziehungen zu vermeiden. Eine Due-Diligence-Strategie (Strategie zur Sorgfaltspflicht) soll die gesamte weltweite Lieferkette umfassen. U. a. soll sichergestellt werden, dass Waren, die unter Zwangsarbeit hergestellt wurden, nicht auf dem europäischen Binnenmarkt verkauft werden. 

Für welche Unternehmen gilt das Gesetz?

Das deutsche Lieferkettengesetz gilt für alle größeren deutschen und internationalen Unternehmen mit Sitz in Deutschland. Ab 2023 wird es zunächst für internationale und deutsche Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern in Deutschland (rund 600 Unternehmen) gelten (4). Ab 2024 ist es dann auch für deutsche und internationale Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern in Deutschland (rund 2900 Firmen) verpflichtend. Das Lieferkettengesetz wird ebenso kleinere Firmen in den globalen Lieferketten betreffen, da diese zwangsläufig von den Forderungen an ihre Großkunden betroffen sein werden. 

Welche Maßnahmen sind einzuleiten?

Das deutsche Lieferkettengesetz soll menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette festlegen. Dabei müssen diese Firmen eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte verabschieden. Weiterhin muss eine (angemessene und zumutbare) Risikoanalyse in Bezug auf nachteilige Auswirkungen der Unternehmenspraktiken auf die Menschenrechte durchgeführt werden. Diese potenziellen Auswirkungen müssen durch die Risikoanalyse abgewendet werden. Zudem müssen ein Beschwerdemechanismus sowie eine Dokumentation und Berichterstattung eingeführt werden. Bei Verstößen können Bußgelder verhängt werden. 

Die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten der Firmen entlang der Lieferkette umfassen z. B. die Unversehrtheit von Leben und Gesundheit, die Freiheit von Sklaverei und Zwangsarbeit, den Schutz von Kindern und Freiheit von Kinderarbeit, den Schutz vor Folter, die Einhaltung des jeweiligen nationalen Arbeitsschutzgesetzes, die Vereinigungsfreiheit (Gewerkschaften), Garantie eines angemessenen Lohns (Mindestlohnregelung), Verbot von Ungleichbehandlung und das Verbot der Ausfuhr gefährlicher Abfälle. 

Firmen sollen konkret nach dem Erkennen entsprechender Risiken von Verletzungen der Menschenrechte und Nachhaltigkeitsforderungen bei der Risikoanalyse Maßnahmen einleiten. Diese Maßnahmen zur Prävention (4) können die Änderungen von Vertragsregelungen mit Lieferanten in Bezug auf Menschenrechte, Arbeitnehmerbelange und Umweltstandards und die Forderung diese Standards auch in der nachfolgenden Lieferkette einzuhalten umfassen. Zudem kommt ein Verhaltenskodex für internationale Lieferanten und regelmäßige Überprüfungen. Von den Lieferanten kann ein Nachweis über durchgeführte Schulungen oder sogar eine Zertifizierung eingefordert werden. Mit der ISO 37301 vom April 2021 (Compliance Management Systeme) existiert eine international zertifizierbare ISO-Norm. 

Kritik seitens der Wirtschaft

Unternehmen und Wirtschaftslobbyisten kritisieren das Lieferkettengesetz der Bundesregierung heftig und warnen vor unkontrollierbaren globalen juristischen Konsequenzen (3, 5). Die Bundesregierung versucht der Wirtschaft eine Kontrollpflicht aufzuerlegen, der sie selbst nicht nachkommen kann. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hält das Lieferkettengesetz für nicht praktikabel und umsetzbar. "Insbesondere bei Fremdlieferungen kann ein Unternehmen nicht immer wissen, unter welchen Bedingungen die einzelnen Bestandteile hergestellt werden", sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Allerdings schlossen sich auch große globale Unternehmen wie Tchibo, Ritter Sport, Nestlé und KiK der Forderung nach einem Lieferkettengesetz an. 

Literatur:

1 Ausbeutung Made in Europe, Bericht über Menschenrechtsverstöße in der Produktion für deutsche Modemarken in: Ukraine, Serbien, Kroatien und Bulgarien, Clean Clothes Campaign und Brot für die Welt, April 2020, Link 

2 Bundestag verabschiedet das Lieferkettengesetz, Deutscher Bundestag, Link 

3 Lieferkettengesetz, Wikipedia, Link 

4 Würz Karl, Das Lieferkettengesetz ist verabschiedet - bereiten Sie sich vor!, 25.10.2021 Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Link 

5 Zacharias Zacharakis, Lieferkettengesetz: "Für die Wirtschaft derart schädlich", Zeit Online, Dezember 2019, Link 

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