Zukunft des Lebensmittelhandels

Beim Einzelhandel 4.0 treten im Lebensmittelbereich neue Trends und Geschäftsmodelle auf den Markt. Kennzeichnend sind hier kanalübergreifende Multichannel- und Omnichannel-Modelle.

In den letzten Jahren hat die zunehmende Digitalisierung und Industrie 4.0 zu einer Veränderung der Geschäftsmodelle und zum Entstehen des Online-Lebensmittelhandels sowie von Home-Delivery-Services geführt. Diese Modelle verändern sowohl den Großhandel als auch den Einzelhandel mit Lebensmitteln und zudem auch die Lebensmittellogistik. Die Studie "Retail 4.0 - The future of retail grocery in a digital world" (2017) der Unternehmensberatung McKinsey & Company zeigt einen Übergang von Retail 3.0 in Retail 4.0 (Einzelhandel 4.0) auf. Der Einzelhandel 3.0 wurde laut McKinsey durch das Aufkommen des E-Commerce seit 1995 zunächst durch Jeff Bezos Amazon und schließlich durch Unternehmen wie eBay und Zappos geprägt. Der Online-Lebensmittelhandel tat sich zunächst schwer am Markt. Meist betreiben heute erfolgreiche Unternehmen eine Mischung aus traditionellem Einzelhandel und Online-Handel wie z. B. Rewe und Edeka (Bringmeister.de). Allerdings hat auch Bezos seinen Dienst AmazonFresh erfolgreich in 2017 in deutschen Großstätten eingeführt. Beim Einzelhandel 4.0 treten im Lebensmittelbereich neue Trends und Geschäftsmodelle auf den Markt. Kennzeichnend sind hier kanalübergreifende Multichannel- und Omnichannel-Modelle.

Zukunfts-Trends im Lebensmittelhandel

Laut der McKinsey-Studie zeichnen sich beim Lebensmittel-Einzelhandel 4.0 sieben neue Trends ab. 

  1. Neue innovative Anbieter von Online-Lebensmittelhandels-Plattformen treten kontinuierlich auf den Markt. Das gesamte Geschäftsmodell muss in seine Segmente zerlegt und gestreamlined werden, um z. B. mit Hauszustellung, Click-and-Collect, Drive-Through und zentralen Abholstationen Gewinn einfahren zu können. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass der Onlineverkauf von Lebensmitteln immer ein Nischenmarkt bleiben wird oder das die "Letzte Meile" zu teuer ist.

  2. Einige traditionelle Einzelhändler werden kreativ und bieten zusätzliche Kaufoptionen online an. Folglich verschwimmt der Online- und Offline-Verkauf. Der Kunde will in Zukunft unterhalten werden. Kunden können z. B. online bestellen und die Waren dann per "Drive-Through" im Geschäft abholen. Virtuelle Geschäfte werden in den physischen Supermarkt integriert (Endless Aisle). Zudem entstehen immer mehr "Micro Stores" als Auslieferungs-Hubs des jeweiligen Unternehmens und damit Kunden Produkte physisch vor dem Online-Kauf erfahren können. 

  3. Weiter zunehmende Bedeutung von Digitalem Marketing, Social Media und ortsgebundenen Services. Dadurch wird eine bessere Kundenkommunikation ermöglicht und Kundenideen können zudem aufgenommen werden. 

  4. Die Kundenansprache, die Anpassung an die Kundenwünsche und das Kundenbeziehungsmanagement werden raffinierter. Der Grund dafür sind die Big-Data-Analyse, Apps, ausgefeilte Kundenbindungsprogramme, "Social Shopping" und lokale Dienstleistungen. 

  5. Fortschritte bei Selbstbedienungskassen im Supermarkt und bei der "digitalen Geldbörse". Die Nahfeldkommunikation erlaubt die Nutzung des Smartphones zur Bezahlung (Scan & Go App). 

  6. Der Einsatz von Tablets zur weitreichenden Information und Ausbildung der Mitarbeiter sowie Produktinformation und Produktanpassung für die Kunden nimmt zu. 

  7. Durch dynamisches Preismanagement passen konventionelle Lebensmittel-Einzehändler zunehmend ihre Preise an, um sie Online-Preisen anzugleichen. 

Modelle und Logistik - Burger per Drohne?

Die Kundenerwartungen und Konsumententrends wie Transparenz über die Lieferkette, Bevorzugung saisonaler und regionaler Lebensmittel, Home-Delivery, Convenience-Food und -geschäfte, Food Waste Awareness sowie Bio- und Fair Trade-Siegel müssen durch die Unternehmensstrategien, das Logistiknetzwerk und neue Technologien aufgegriffen und umgesetzt werden. Die Studie "Zukunfttrends der Lebensmittellogistik" der TU Berlin beschäftigt sich hier u. a. genauer mit den Konsumententrends und Strategien der Zukunft. Interessant hierbei sind inbesondere neue Geschäftsmodelle und logistische Netzwerkstrategien. Im logistischen Bereich sind demnach innovative Bündelungs- und Distributionsstrategien, die Entwicklung von städtischen Versorgungskonzepten, der Aufbau von Strukturen für die Lebensmittelrückführung  und insbesondere die Nutzung von Synergien im Fulfillment der Vertriebskanäle, Sortimentsallokation, Kommissionierung und Transport zu erwarten. Die gesamte Logistikkette wird digitalisiert, wobei die IT als Grundlage für den Erfolg der Omni-Channel-Logistik gilt. "Aktuell werden Online-Kunden und stationäre Kunden oft aus zwei verschiedenen Logistiksystemen bedient. Wie hier Synergien erzielt werden können, ist noch nicht zufriedenstellend gelöst und erfordert Innovationen. Auf technologischer Ebene stellt sich zudem die Herausforderung einer effizienten Abwicklung der letzten Meile. Innovative Konzepte für flexible Mehrkammerfahrzeuge für die letzte Meile existieren kaum, könnten jedoch die Distribution der letzten Meile effizienter gestalten.", sagen die Verfasser der Studie. Als Alternative für die kostenintensive Belieferung der letzten Meile können Click-and-Collect-Konzepte dienen. Beim Click-and-Collect bestellt der Kunde online und kann dann häufig die Filiale und den Zeitraum der Abholung bestimmen. Generell ist festzuhalten, dass der filialbasierte Ansatz vor allem für den Einstieg von stationären Händlern in den Online-Lebensmittelhandel oder in ländlichen Gegenden der kosteneffizienteste Ansatz ist. Sogenannte Dark Stores dienen zur Abwicklung von reinen E-Commerce-Transaktionen. Sie erinnern an einen Supermarkt, dienen aber als Online-Fulfillment-Zentrum oder auch zur Ermöglichung von Click-and-Collect-Konzepten (Selbstabholung). Logistikdienstleister (mit Mehrkammerfahrzeugen) werden nach Ansicht der Studie besonders im Convenience-Food-Bereich zur Entlastung des urbanen Raums, auf der letzten Meile, bei der Rückführung von Lebensmitteln und bei der Bündelung von regionalen Lebensmittel-Lieferungen eine große Rolle spielen. Auch Lieferungen mit Drohnen und Behältern sind zumindest in Amerika schon seit 2016 Realität. In San Francisco liefert die Lebensmittelkette 7-Eleven ausgewählten Kunden ihre Einkäufe per Drohne. Das Start-up Flirtey, stellt die Fluggeräte zur Verfügung. In San Diego will Uber in Zukunft Mc Donalds-Burger per Drohne liefern. Allerdings sollen die Drohnen in einer gesicherten Zone landen und die Lieferungen dann per Kurier zum Kunden gelangen. 

Pandemie beschleunigt Verlagerung in Richtung Online-Handel

Der Virus Covid-19 beeinträchtigt derzeit das Konsumverhalten der Menschen massiv, da fast alle Geschäfte geschlossen wurden und nur nach und nach wieder aufmachen dürften. Die Menschen sind angehalten zuhause zu bleiben, wodurch sich das Konsumverhalten massiv verändert hat. Gerade Ältere scheuen nun die Menschenmengen an den Regalen und entdecken die Vorzüge des E-Commerce. Das bekommen stationäre Händler wie Online-Anbieter durch Umsatzeinbrüche deutlich zu spüren. Allerdings prognostiziert eine neue Studie die von der E-Commerce-Prüfungsgesellschaft Detail Online für die Märkte Deutschland, Frankreich und Großbritannien in Auftrag gegeben wurde, dass längerfristig der Online-Handel davon profitieren könnte. Laut der Kantar-Studie verstärkt der Corona-Ausbruch die Verlagerung vom stationären Einzelhandel in den Online-Kanal schneller als erwartet: Statt in drei bis vier Jahren wird sich das Kaufverhalten wahrscheinlich schon innerhalb weniger Monate stärker in Richtung Online bewegen. Rewe, Deutschlands größter E-Commerce-Betreiber bei frischen Lebensmitteln verzeichnet eine enorm gestiegene Bestellintensität. Allerdings kommt es auch zu längeren Wartezeiten. Zeitfenster für die nächste Lieferung sind häufig erst nach Ablauf einer Woche verfügbar. Viele Anbieter halten mit zusätzlichen Logistik-Kapazitäten dagegen und passen ihr Angebot an, um die Kunden 
nicht zu verärgern und die Infrastruktur zu entlasten. 

Literatur:

Desai Parag, Potia Ali, Salsberg Brian, Retail 4.0 - The future of retail grocery in a digital world (2017), McKinsey & Company, New York 

Nitsche Benjamin, Anna Figiel, Zukunfttrends der Lebensmittellogistik -Herausforderungen und Lösungsimpulse, Hrsg. Straube Frank, Universitätsverlag der TU Berlin, 2016, http://verlag.tu-berlin.de 

Kantar-Studie, E-Commerce-Prüfungsgesellschaft Detail Online, April 2020, Stockholm (ots) 

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