Resiliente Supply Chain und krisensichere Logistik

Bei der Stabilisierung der globalen Lieferketten sollen insbesondere die Digitalisierung, KI, Robotik, IoT und eine zunehmende Vernetzung einen entscheidenden Beitrag zur Resilienz leisten.

Seit Covid scheint es mit den Krisen gar nicht mehr aufzuhören und einige Logistikexperten gehen gar davon aus, dass dies zum Normalzustand wird. Wenn man unbedingt etwas Gutes an Covid finden will, dann, dass die Logistikbranche viel durch diese Krise gelernt hat. Die Pandemie hat viele Schwachstellen klassischer Lieferketten sichtbar gemacht. Viele Ideen und Lösungen für resilientere Lieferketten und eine krisensichere Logistik von Unternehmen konnten entwickelt und getestet werden (1). Aber auch die Ukrainekrise, die Inflation, eine bevorstehende Rezession, der Fachkräftemangel und der Klimawandel haben sich bereits auf die Supply Chains ausgewirkt oder werden in Zukunft noch größere Beeinträchtigungen bringen. Dazu kommen noch rasante Entwicklungen im E-Commerce, die Omnichannel-Logistik, eine zunehmende Urbanisierung und die Nachhaltigkeitsforderung. All das wird die Logistik und die Lieferketten von Unternehmen zunehmend beanspruchen. 

Konnektivität ist der zentrale Schlüssel

Bei der Stabilisierung der globalen Lieferketten sollen insbesondere die Digitalisierung, Künstliche Intelligenz (KI), Robotik und das Internet der Dinge (IdD) einen entscheidenden Beitrag zur Resilienz leisten. Der zentrale Schlüssel ist laut dem Vorsitzenden des VDMA Fachverbandes Fördertechnik & Intralogistik Steffen Bersch allerdings die Konnektivität (2). Die Vision für die Intralogistik der Zukunft basiert auf flexiblen, skalierbaren, nachhaltigen Robotern und datengestützten Lösungen mit einem hohem Maß an Automatisierung. Die Zahl der vernetzten Geräte weltweit wird gemäß des US-amerikanischen Telekommunikations-Unternehmens Cisco Systems von jetzt 10 Milliarden auf 50 Milliarden Geräte innerhalb der nächsten Dekade zunehmen. Konnektivität ist hier der Schlüssel zu einer transparenten und effizienten globalen Lieferkette mit hoher Resilienz. Die Intralogistik ist dabei der Dreh- und Angelpunkt der Supply Chain. Künftig wird die Intralogistik bzw. das Lager als Manager der Supply Chain fungieren. Beim Management der Lieferkette soll eine architektonisch offene Software, die viele Elemente und Bereiche vereint, eine entscheidende Rolle spielen. Die Verschmelzung von verschiedenen Plattformen z. B. im Bereich Dock and Yard Management, Transport Management, Distributed Order Management wird zu einer gemeinsamen KI-gesteuerten Plattform vom Auftragseingang bis zur letzten Meile und zu mehr Transparenz der Informationen führen (Unfied Commerce). 

Supply Chain Modeling führt zu mehr Resilienz

Mithilfe der Lieferketten-Modellierung lassen sich Schwachstellen in der eigenen (globalen) Supply Chain aufdecken sowie Anpassungen vornehmen und diese am Modell testen (3). Zum Einsatz kommt hier ein digitaler Zwilling (4) der realen Lieferkette. Die Simulationen für verschiedene Situationen erfolgt mittels KI und Echtzeitdaten. Supply Chain Modeling (SCMo) hat viele Vorteile, wie z. B. das Aufdecken von Schwachstellen bzw. eines abnormalen Verhaltens der Lieferkette. Dadurch kann das Risiko für Ausfälle in der Produkt- bzw. Materialversorgung gemindert werden und die Resilienz gesteigert werden. Die gesamte Dynamik der Lieferkette wird durch das Nachbilden im Modell und entsprechenden Simulationen besser verstanden. So wird schnell ersichtlich, wo die Bottlenecks sind und welche Maßnahmen zur Beseitigung notwendig sind. Zudem kann die gesamte Lieferkette in Echtzeit überwacht werden. Es ist außerdem möglich, eine Quantifizierung des Risikos bestimmter Schwachstellen vorzunehmen. Aus dem SCMo erfolgt eine Optimierung der Transport-Planung, der Lagerbestände, der Profitabilität der Kunden und eine Minimierung unprofitabler Bereiche der Supply Chain bzw. des eigenen Unternehmens. 

Kürzere Lieferketten und effizientes Lieferantenmanagement

Besonders in Krisenzeiten ist ein effektives Lieferantenmanagement in allen Branchen unverzichtbar. Hier gilt es, wichtige Fähigkeiten in den entsprechenden Fachabteilungen im Unternehmen zu entwickeln. Die Risiken in der Lieferkette (s. o. SCMo) müssen richtig bewertet, Lieferantenbeziehungen systematisch und marktgerecht gesteuert und die Versorgung durch Ausweichlieferanten (Second Sources) sichergestellt werden (5). Wichtig ist hier wieder die Transparenz der gesamten Supply Chain, die durch das SCMo in Echtzeit enorm verbessert wird. Die alternativen Lieferanten müssen identifiziert, analysiert und befähigt werden. Die qualifizierten Second Sources müssen möglichst schnell in das bestehende Lieferantenportfolio integriert werden. Auch empfielt sich der Einsatz eines Fast Response Teams, um die entsprechenden Lieferanten vor Ort zu unterstützen. Das Team führt nicht nur Eskalationsprojekte durch, sondern unterstützt auch den Lieferanten beim Aufbau einer resilienten Beschaffungskette bzw. bei der Minimierung der Supply Chain-Risiken. Laut der Europäischen Kommission muss der europäische Markt insgesamt krisensicherer werden (6). Besonders bei Batterien und Halbleitern ist der EU-Markt sehr abhängig von ausländischen Quellen in China, Vietnam und Brasilien. Daher soll die Resilienz besonders bei 137 besonders strategisch wichtiger Produkte gestärkt und der Binnenmarkt gefördert werden. Die Abhängigkeit muss insbesondere bei Produkten und Technologien vermindert werden, die für den grünen und digitalen Wandel entscheidend sind. Sektoren wie die Halbleiter- und sowie Cloud- und Edge-Technologien müssen als strategisch wichtig erkannt werden. Die Halbleiterproduktion in Europa soll im Rahmen einer Chip-Allianz gestärkt werden. Zudem wird das Cloud-Projekt Gaia-X industriepolitisch flankiert. Die Supply Chains müssen also insgesamt kürzer werden, wodurch das lokale Sourcing von Waren und Materialien als Faktor an Bedeutung gewinnt. 

Weitere Faktoren für effiziente und resiliente Lieferketten

Um eine resiliente Logistik zu gewährleisten, müssen natürlich auch Anlagen- und Maschinenausfälle in der Intralogistik bzw. im Lager verhindert werden. Heutzutage wird dazu in den meisten Branchen eine KI-gesteuerte vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) eingesetzt. Dazu werden Daten und Informationen der entsprechenden Anlagen und Geräte in Echtzeit analysiert und bewertet, um sie genau zum richtigen Zeitpunkt warten zu können. Die periodische Wartung gehört damit der Vergangenheit an. Ausfälle und Stillstände werden schlichtweg nicht mehr stattfinden, was zu einer hohen Zufriedenheit auch der Kunden führt. Große fördertechnische Anlagen werden im Lager der Zukunft eine immer kleinere Rolle spielen. Immer häufiger werden Fahrerlose Transportsysteme (FTS) und schwarmartig organisierte autonome mobile Roboter (AMR) eingesetzt. Diese Roboter werden immer komplexere Aufgaben übernehmen und viele Tätigkeiten im Lager und in der Kommissionierung übernehmen. Automatisierung und Robotik im Zusammenhang mit Predictive Maintenance bedeuten hier wieder eine krisensichere Intralogistik ohne Ausfälle. Intralogistik 4.0 greift auch die Themen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit auf. Der CO2-Fußabdruck jeder Anlage und jedes Gerätes soll auf Null gesenkt werden, um einen Beitrag in der Klimakrise zu leisten (7). 

Literatur:

1 BITO Fachwissen, Lehren aus Covid: Krisensichere Supply Chain und Materialversorgung, Link 

2 Poll Dietmar, Krisen sind das neue Normal, Resilient gegen Krisen: Das ist die Zukunft der Logistik, Produktion, Verlag Moderne Industrie GmbH, Link 

3 Risk, Resiliency, and Supply Chain Modeling, Supply Chain Design & Planning, Whitepaper, Coupa Software, Link 

4 What is a Supply Chain digital twin?, The Any Logic Company, Link 

5 Graser Gerald, Lieferantenmanagement: So gewährleisten Sie Ihre Versorgungssicherheit in Krisenzeiten, Ingenics AG, Link 

6 Juschkat Katharina, EU-Kommission: Europäischer Markt muss krisensicher werden, MM Logistik, Link 

7 BITO Fachwissen, Zukunft des Lagers, Link 

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