China will Führung bei Künstlicher Intelligenz

China legt bei der KI-Entwicklung eine enorme Geschwindigkeit vor. Bis 2030 will es das erste globale Innovationszentrum für KI werden. Es drohen auch Gefahren.

Die Künstliche Intelligenz (KI) gilt als Schlüsselindustrie, die viele Bereiche der Technik, ganze Industriebereiche, die Wirtschaft und die Gesellschaft grundlegend verändern wird. Daher ist ein weltweites Wettrennen um die Vormachtstellung bei der KI entstanden. Der russische Präsident Vladimir Putin sagte in 2017: „Wer auch immer der Technologieführer in diesem Bereich wird, wird die Welt regieren.“ Das Potenzial der Künstlichen Intelligenz ist so gewaltig, dass selbst die nationale und wirtschaftliche Sicherheit einzelner Länder, die soziale Stabilität und selbst die Weltordnungspolitik bedroht ist. 

Führerschaft bei der KI bis 2030 angestrebt

Da sich China der Gefahren und Bedeutung der Künstlichen Intelligenz bewusst ist, hat die Regierung schon im Jahr 2017 den Next Generation Artificial Intelligence Development Plan veröffentlicht. Er skizziert den Weg Chinas zum ersten globalen Innovationszentrum für Künstliche Intelligenz im Jahr 2030. Die KI-Kernindustrie soll dann laut dem amerikanischen Time Magazin einen Wert von 148 Milliarden US-Dollar (122 Milliarden Euro) erreichen, zugehörige Industriebereiche den zehnfachen Wert. 

 „Der Nahe Osten besitzt enorm viel Öl, China dagegen kann das globale Zentrum für KI-Daten werden“, sagte Sheng Hua, Geschäftsführer der Mengdong Technology Ltd., der für Firmen wie Baidu, JD.com und Alibaba arbeitet. Gemäß dem Unternehmen hat China aufgrund der geringen Löhne riesige Vorteile gegenüber Wettbewerbern wie den USA. Das Land besitzt bereits seit 2018 eine Schule für KI, die von der University of the Chinese Academy of Sciences (UCAS) ins Leben gerufen wurde. Auch KI-Lehrbücher für Schüler werden bereits in Schulen ausgehändigt. Im Wissenschafts- und Technologiepark Bainiaohe Digital Town 50 km von der Hauptstadt von Guizhou Guiyang arbeiten unablässig hunderte Berufsschul-Studenten, um Fotos zu kennzeichnen und Sprache zu analysieren. Die generierten Daten werden dann für Projekte im Bereich Gesichts- und Spracherkennung sowie autonomes Fahren genutzt. Auch Mengdong ist in der digitalen Stadt beheimatet. Im berg- und wasserkraftreichen Guiyang befinden sich die Datenzentren und -server der drei größten Telekomunternehmen sowie Foxconn und Apple. 

Chinesische KI-Strategie

Schon im Jahr 2025 sollen laut der chinesischen KI-Strategie große Durchbrüche bei ausgewählten KI-Technologien erreicht werden. Diese sollen den Antrieb für die wirtschaftliche Transformation liefern. Im Finalstadium im Jahr 2030 will China das weltweit führende KI-Innovationszentrum sein, wodurch die eigene Rolle als wirtschaftliche Großmacht gestärkt werden soll. Im "Three-Year Action Plan for Promoting Development of a New Generation Artificial Intelligence Industry (2018–2020, 1)" werden laut New America (Washington) die Maßnahmen in diesem Zeitraum genauer beschrieben. Zunächst soll die Entwicklung intelligenter Produkte wie vernetzte Fahrzeuge, intelligente Service-Roboter und Videobild-Erkennungssysteme im Rahmen der Strategie vorangetrieben werden. Bei den „Kerngrundlagen“ sollen technologische Durchbrüche im Bereich Netzwerk-Chips, intelligente Fertigung und 5G-Internet erreicht werden. Der gesamte Bereich wird durch das Ministry of Industry and Information Technology (MIIT) beaufsichtigt. Der Plan fokussiert im Kern auf die tiefgehende Integration von IT und Fertigungstechnologie in Verbindung mit neuartiger KI-Technik, um China schnell in eine Großmacht im Bereich Fertigung und Internet zu transformieren. Bisher wurden noch kein weiterer Aktionsplan bzw. neue KI-Strategie für die Zeit nach 2020 veröffentlicht. 

Reale Einschätzung - KI-Readiness Index

Laut des Readiness Index (2) des International Development 
Research Centre (IDRC) liegt China bei der Anwendung von 
künstlicher Intelligenz noch zurück. Die USA, Vereinigten Königreiche, Finnland und Deutschland liegen hier auf den ersten vier Plätzen, während China erst den 19. Platz bekleidet. Ausschlaggebend für das Ranking sind elf Metriken, unter anderem Führungsstrukturen (Governance), Bildung (Education), Infrastruktur und öffentliche Dienste (Public Services). Entscheidend ist zudem die Zahl der Startups im KI-Bereich sowie der UN E-Government Development Index. Im Jahr 2019 haben 42 Länder die OECD-Grundlagen für Künstliche Intelligenz unterzeichnet und damit eine Entwicklung von sicheren, fairen und vertrauenswürdigen KI-Systemen befürwortet. In diesem Jahr gründeten 14 Regierungen mitsamt der EU die Global Partnership on Artificial Intelligence (GPAI), um die verantwortliche Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz zu fördern. China ist an beiden Programmen nicht beteiligt, hat aber eine eigene Initiative mit ähnlichen Absichten unter dem Titel "Principles of next generation governance - Responsible AI" entwickelt. Beim Responsible Use Sub-Index der 34 Länder betrachtet, befinden sich Estland, Norwegen, Finnland und Schweden unter den ersten fünf Plätzen bei der "verantwortlichen Nutzung von KI". Die Vereinigten Königreiche liegen auf Platz 22 und die USA auf Platz 24, während sich China, Russland und Indien auf den letzten Plätzen befinden. 

Land der Mitte lehrt der Welt das Fürchten

Das Land der Mitte hat gemäß China Daily in den letzten fünf Jahren ein gewaltiges Tempo bei der Entwicklung von Technologien im Bereich der Künstlichen Intelligenz vorgelegt. Dabei hat es die USA laut der Forschungseinheit des Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie bei den weltweiten mit KI zusammenhängenden Patentanmeldungen überholt. Tom Mitchell, Professor für Computer Science an der Carnegie Mellon University meint, dass die USA zwar mehr Erfahrung beim Aufbau von Technologieunternehmen hat, China bei KI-Anwendungen, die auf Big Data basieren, aber vorne liegt. Wenn das Land z. B. entscheidet, landesweite medizinische Daten zu erheben, dann wird das umgehend durchgeführt. In Amerika und anderen Ländern entstehen sofort Bedenken über die Privatsphäre. 

Ende 2019 hat das chinesische Ministerium für Wissenschaft und Technologie laut Kooperation International die Einrichtung von vier neuen nationalen Entwicklungszonen für Künstliche Intelligenz der neusten Generation (New Generation Artificial Intelligence Development Experimental Zones) genehmigt. Die vier Zonen werden in den Städten Tianjin, Shenzhen, Hangzhou und Hefei eingerichtet. Dabei werden sie besonders auf drei Bereiche fokussieren: Die Entwicklung von Fachkräften, die verstärkte Anwendung von KI-Technologien durch Forschungskooperationen zwischen Industrie und Universität sowie die Erprobung neuer Strategien zur Förderung und Einführung von KI-Anwendungen. Gemäß dem Fontmanager Rolando Grandi entwickelt sich Peking schnell zur Hauptstadt für Künstlichen Intelligenz. In Peking haben Konzerne wie JD.com, Baidu TAL Education, Xiaomi oder BOE Technologies neben einer Vielzahl von jungen Unternehmen ihren Sitz, die sich auf die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz spezialisiert haben. 

Zunehmend existieren Interessenkonflikte zwischen Amerika und der Chinesischen Volksrepublik. Amerika bannte im September 2019 sechs chinesische KI-Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang. Damit können SenseTime, Megvii, iFLYTEK, Yitu (alle im Bereich Gesichtserkennung tätig) und Hikvision und Dahua Technology (Produzenten von Kameraüberwachungstechnologien) keine Geschäftstätigkeiten mehr mit amerikanischen Unternehmen aufnehmen. Laut Branchenexperten ist die Maßnahme allerdings ein Versuch seitens der USA das Land der Mitte im Bereich der Technologieentwicklung von Künstlicher Intelligenz auszubremsen. Hochkarätige chinesische Unternehmen wie das Versicherungsunternehmen Anbang und die Kai-Fu Lee's Sinovation Ventures haben ihre US-Dependancen verkleinert. Huawei und ZTE verzeichneten aufgrund des US-Banns große Verluste. Sowohl amerikanische Universitäten als auch Unternehmen sind vorsichtiger geworden und überdenken ihre Beziehungen zu China. Prof. Mitchell denkt, dass Entscheidungsträger grundsätzlich zwischen KI-Applikationen und -systemen unterscheiden müssen, die einen gegenseitigen Gewinn darstellen, und Anwendungen, die wirklich konfliktbelastet sind, wie z. B. im Militärbereich.  

Alibaba, Baidu, Huawei und Tencent sind bereits wirtschaftlich besonders in den Bereichen Software für Sprachunterstützung, Smart Cities, autonome Fahrzeuge, u. a. sehr erfolgreich. Rebecca Fannin, Technologieberaterin und Autorin des Buchs "Tech Titans of China", sagt, dass das wirtschaftliche Potential von KI und das Auslandswachstum von Firmen wie Huawei und TikTok eine große Herausforderung für die amerikanische Technologiedominanz sind. Amerika ist daher sehr beunruhigt. 

Export von KI-Überwachungstechnologie

Ende Dezember berichtete die Nikkei Asian Review, dass chinesische Unternehmen laut eines Berichts der Carnegie Endowment for International Peace intelligente Überwachungstechnologie in über 60 Länder exportiert haben - darunter der Iran, Myanmar, Venezuela, Zimbabwe und andere Länder mit schlechten Menschenrechtsbilanzen. Im Carnegie-Bericht wird das Land der Mitte als weltweiter Treiber für „autoritäre Technologie“ bezeichnet. Autoritäre Regime könnten die Technologie nutzen, um ihre Macht auszuweiten und auch Daten ins Land zurückzusenden. Firmen wie Huawei, Hikvision, Dahua und ZTE lieferten die Überwachungstechnologie in 63 Länder. 36 dieser Länder sind Teil des chinesischen „One Belt, One Road (OBOR)“-Projekts. Huawei Technologies Co., eines der führenden Unternehmen beim 5G-Internet, ist für den Export von KI-Überwachungstechnologie in mindestens 50 Länder verantwortlich. Dennoch sind auch andere Länder wie Japan am Export dieser Technologie beteiligt, so z. B. Japans NEC Corp. Das Unternehmen lieferte die Überwachungstechnologie in 14 Länder, die amerikanische IBM Corp. in elf Länder. Frankreich, Deutschland und Israel spielen ebenso eine große Rolle in der Ausbreitung dieser Technologie. 

Literatur:

1 Three-Year Action Plan for Promoting Development of a New Generation Artificial Intelligence Industry (2018–2020), Translation of New America (Think Tank), Washington USA, mehr hier 

2 Readiness Index 2020 des International Development 
Research Centre (IDRC), mehr hier  

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