Welche Inventurart passt zu meinem Betrieb?

Die Inventur ist die Bestandsaufnahme aller Vermögensgegenstände und Schulden eines Unternehmens, die in dessen Bilanz erfasst sein müssen. Sie ist essenziell und hat viele Vorteile.

Die Inventur ist alljährlich nicht gerade ein Thema, was Führungskräfte und Mitarbeiter vor Freude in die Höhe springen lässt. Sie wird eher als lästiges Übel gesehen, das eben durchgeführt werden muss. Dabei hat eine gründliche Bestandsaufnahme viele Vorteile und führt zudem zu einem höheren Betriebsgewinn und zur besseren Kontrolle der Bestände.

Was versteht man genau unter Inventur?

Kurz gesagt versteht man unter einer Inventur die Bestandsaufnahme aller Vermögensgegenstände und Schulden eines Unternehmens, die in dessen Bilanz erfasst sein müssen. Sie kann einerseits physisch durch beispielsweise zählen, messen oder wiegen oder durch eine buchmäßige Bestandsaufnahme durchgeführt werden. Laut Gabler Wirtschaftslexikon (1) fordert § 240 HGB für den Geschäftsbeginn und für jedes Geschäftsjahr neben der Bilanz die Aufstellung eines Inventars, dessen Grundlage die durch die Inventur festgestellten Bestände (z. B. Geld, Wertpapiere, Warenvorräte) sind. Nach § 241 II HGB müssen Vermögensgegenstände nicht physisch aufgenommen werden, wenn durch die Anwendung anderer Grundsätze der ordnungsmäßigen Buchführung entsprechende andere Verfahren zur Bestandsaufnahme nach Art, Menge und Wert genutzt werden können. 

Im Rahmen der ordnungsgemäßen Buchführung ist eine Inventur für Kaufleute vorgeschrieben (2). Sie muss einmal jährlich zum Bilanzstichtag am Geschäftsjahresende sowie bei Gründung, Übernahme, Verkauf oder Geschäftsaufgabe durchgeführt werden. Es gibt verschiedene Gründe, warum die Bestandsaufnahme entfallen kann - Z. B. wenn ein Unternehmen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren weniger als 500 000 Euro Umsatz und weniger als 50 000 Euro Gewinn erzielt hat. Zudem sind Unternehmer, die eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung erstellen, von der Verpflichtung ausgenommen. Die Inventur kann aber trotzdem freiwillig erfolgen. 

Für die Durchführung der Aufnahme der Bestände sollten folgende Grundsätze eingehalten werden: 

  • Die Durchführung soll nur durch geschultes Personal erfolgen. 

  • Bei der Aufnahme des Inventars dürfen sich die Lagerbestände nicht verändern. 

  • Die Einträge von Inventar in Listen muss vollständig, eindeutig und datiert sein. Schätzungen werden in den Listen vermerkt. 

  • Die Buchinventur mit Belegen wird bei nicht zählbaren Unternehmenswerten angewandt.  

  • Leiter der Inventar-Zählungen müssen fünf Prozent der aufgenommenen Positionen stichprobenartig kontrollieren und bestätigen. 

Welche Inventurarten existieren?

Da die Durchführung der Bestandsaufnahme seitens der Unternehmen zu einem bestimmten Bilanzstichtag nicht immer möglich ist, gibt es verschiedene Inventurarten (2, 3): Stichtagsinventur, zeitnahe Stichtagsinventur, permanente Inventur, Stichprobeninventur und verlegte Inventur. 

Wenn das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr endet, werden die Warenbestände eines Unternehmens exakt zum Bilanzstichtag am Ende des Geschäftsjahres (31. Dezember) erfasst. Es handelt sich dann um eine Stichtagsinventur. Je nach Größe des Warenbestands bedeutet das einen enormen Arbeitsaufwand, bei dem der Geschäfts- oder Produktionsbetrieb häufig für einige Zeit stillgelegt werden muss. Durch den Zeitdruck entstehen oft Fehler. Bei der zeitnahen Bilanzstichtags-Inventur gewährt das Finanzamt einem Unternehmen einen zusätzlichen Spielraum von zehn Tagen um den Stichtag herum. 

Ein sehr vorteilhaftes Verfahren ist die permanente Inventur des Inventars, die allerdings nur mit einem Lagerverwaltungssystem (LVS) bzw. einem Warenwirtschaftssystem (WWS) erfolgen kann. Im laufenden Geschäftsjahr wird der Warenbestand permanent fortgeschrieben und jeder Zu- und Abgang genau festgehalten. Jeder Artikel muss dabei mindestens einmal jährlich körperlich erfasst werden, um tatsächliche Abweichungen feststellen zu können. Der Bilanzstichtag kann bei der permanenten Inventur für jeden Artikel frei gewählt werden. 

Eine weitere Inventurart ist die Stichprobeninventur. Hier wird der Warenbestand auf der Basis von Stichproben unter Zuhilfenahme von anerkannten mathematisch-statistischen Methoden ermittelt. Die Stichprobeninventur macht für Unternehmen mit sehr großem Warenbestand Sinn, bei denen der Aufwand für eine körperliche Bestandsaufnahme wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Diese Inventurart muss vorher durch das Finanzamt genehmigt werden. Besonders sinnvoll ist die Erfassung nach Stichproben, wenn ein geringer Anteil der Waren einen Großteil des Buchwertes ausmacht. 

Bei dem letzten Inventurverfahren, der verlegten Inventur (4), handelt es sich um eine zeitverschoben durchgeführte Bestandsaufnahme. Kann weder die Stichtagsinventur noch die permanente Inventur durchgeführt werden, sollte die Inventur innerhalb der letzten drei Monate vor oder innerhalb der folgenden zwei Monate nach dem Stichtag durchgeführt werden. In diesem Fall muss eine wertmäßige Fortschreibung bzw. Rückrechnung zum Stichtag gewährleistet und alle Zu- und Abgänge dokumentiert werden. Ein großer Vorteil des fünfmonatigen Zeitraums ist die gute Planungsmöglichkeit der Erfassung des Inventars und der Bestände. Die körperliche Inventur kann außerhalb der saisonalen Stoßzeiten gelegt werden. Bei der vorgelagerten Inventur können Bestands-Differenzen besser analysiert werden. Ein Nachteil sind zusätzliche Fehler, die durch die zusätzliche Kalkulation der Wertfort- bzw. -rückrechnung entstehen können. 

Was sind die Vorteile einer Inventur?

Eine korrekte körperliche Bestandsaufnahme ist für ein Unternehmen nicht nur vorteilhaft, sondern langfristig sogar überlebenswichtig, da u. a. der Unternehmensgewinn davon abhängig ist (4). Soll-Ist-Differenzen deuten auf Probleme im Betrieb hin. Das reicht vom Diebstahl bis hin zu einem schlechten Warenbestellprozess. Eine regelmäßige körperliche Inventur wird beschädigte Ware, nicht durchgeführte oder fehlende Bestellungen aufzeigen. 

Diebstahl ist eine nicht von der Hand zu weisender Realität in vielen Betrieben. Das Zählen der tatsächlich vorhandenen Waren deckt die Fehlbestände auf. Auf diese Weise können weitere Schritte wie z. B. die Installation von Kameras, Stichprobenprüfungen bei Verlassen des Lagers/ Betriebs, etc. eingeleitet werden. 

Neben der Aufdeckung von Diebstahl hat die körperliche Bestandsaufnahme viele andere Vorteile. Beispielsweise kann der Warenbestellprozess optimiert werden. Produkte können rechtzeitig nachbestellt werden, wenn ein Mangel im Lager, Diebstahl oder auch eine Beschädigung der Waren festgestellt wird. So wird auch die Kundenzufriedenheit gewahrt. Beim Zählen bzw. der Inventur der Waren wird auch auffallen, wie schnell sich unterschiedliche Waren verkaufen (Produktleistung). Für Produkte, die schon lange im Lager liegen, kann dann eine Sonderverkaufsaktion gestartet werden oder auch die Produktpräsentation verbessert werden. 

Durch die Bestandsaufnahme können auch Umsätze, Gewinne und die Preispolitik analysiert und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, um das Geschäftsziel zu erreichen. Hier wäre es günstig, wenn dies nicht erst zum Ende des Jahres geschieht, damit noch korrigierende Maßnahmen eingeleitet werden können. Beispielsweise können Preise für die Waren angepasst werden, damit der Unternehmensgewinn für das aktuelle Jahr noch erzielt werden kann. 

Literatur:

1 Böcking, Prof. Dr. Hans-Joachim, Inventur, Definition: Was ist "Inventur"?, Gabler Wirtschaftslexikon, Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Link 

2 Inventurarten – welche Inventurverfahren es gibt und wie sie ablaufen, auxmoney Gründungsratgeber, Link 

3 Depold Sarah, Verlegte Inventur, Rechnungswesen-Portal, reimus.NET GmbH, Brandenburg, Link 

4 Warum sind Inventuren wichtig?, RGIS Inventur Spezialisten GmbH, Essen, Link  

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