Retourenmanagement und Lagerhaltung

Um Ressourcenverschwendung zu vermeiden, sollten Retouren möglichst minimiert werden. Um Rücksendungen im Lager zeitsparend und effizient zu bearbeiten, müssen verschiedene Prozesse synchronisiert und gestreamlined werden.

Retouren und die dazugehörige Reverse Logistik gelten als großes Problem, da sie dem Unternehmenszweck entgegenlaufen - nämlich die Bedürfnisse von Kunden zu befriedigen und einen Mehrwert zu bieten, möglichst viel zu verkaufen und den Gewinn zu maximieren. Reverse Logistik und Retouren kosten dem Unternehmen unnötig Zeit und Geld, auch wenn E-Commerce-Unternehmen mittlerweile Retouren als Kundenbindungsmaßnahme sehen und hoffen dadurch ihre Verkäufe steigern zu können. Es wird geschätzt, dass jede Rücksendung den Händler zwischen 10 und 20 Euro kostet. Darüber hinaus führen Retouren zu einer unnötigen Umweltverschmutzung und sind daher nicht nachhaltig. Das heißt, sie widersprechen den Nachhaltigkeitszielen von Unternehmen. 

Rücksendung von Waren ist nationaler Sport

Im E-Commerce-Zeitalter nimmt die Anzahl der zurückgesendeten Artikel gewaltig zu. Teilweise gehören sie sogar zum Geschäftsmodell. Eine Daumenregel besagt, dass "je näher die Ware am Körper getragen wird, die Retourenquote umso höher liegt". Die Bekleidungsbranche wartet hier mit einer Retourenquote mit bis zu 50 Prozent und höher auf. Häufig bestellen Kunden Artikel zur Ansicht und senden sie dann wieder zurück. Die Rückgabe von Produkten ist mittlerweile zum "nationalen Sport" verkommen. Deutsche Online-Kunden senden am meisten Ware zurück (1). Mehr als jeder Zweite (53 Prozent) der deutschen Kunden hat laut einer Umfrage von PostNord im Jahr 2018 mindestens eine Rücksendung aufgegeben. In den Niederlanden waren es 52 Prozent und in Frankreich 45 Prozent aller Online-Kunden. 

Retourenmanagement ist ein Muss

Um Ressourcenverschwendung und unnötige Umweltverschmutzung zu vermeiden, sollte ein Unternehmen Retouren also möglichst minimieren, auch wenn sie ein Fakt sind und zum Unternehmensalltag gehören. Retourenmanagement wird in Präventives und Reaktives Retourenmanagement aufgeteilt. Durch das Präventive Retourenmanagement sollen Retouren vor und nach der Bestellung durch den Kunden vermieden werden. Maßnahmen, die dazu eingesetzt werden sind z. B.: detaillierte Beschreibungen der Waren, Größentabellen, 360 Grad-Videos, ausführliche Kundenberatung, Testberichte und Kundenbewertungen um falsche Erwartungen der Käufer zu korrigieren, Vermeidung von irreführender Werbung, virtuelle Anproben ("Magic Mirror", Augmented Reality Apps), vorhersagende Algorithmen, Kontosperrung bei Problemkunden mit zu vielen Rücklieferungen, u. v. a. m.. 

Beim Reaktiven Retourenmanagement steht die effiziente Handhabung von Retouren und die effiziente Wiedereingliederung der Produkte in den Warenkreislauf und die Logistik im Mittelpunkt. Das Ziel eines erfolgreichen Reaktiven Retourenmanagements ist, quantitativ sowie qualitativ optimierte Durchlaufzeiten für Retouren Prozesse zu schaffen. Maßnahmen sind beispielsweise: optimierte Logistik und Lagerlogistik, Automatisierung von Prozessen, leicht handelbare Verpackungen, abgestimmtes Shopsystem und ERP-System, den Waren beigelegte Rücklieferungsformulare, effizientes Customer-Relationship-Management (CRM), akribische Qualitätskontrolle der Retouren. 

Auch Künstliche Intelligenz (KI) wird im Kampf gegen Retouren eingesetzt (2). Mithilfe von voraussagender Analyse (Predictive Analytics) wird das Rücksendeverhalten der Problemkunden analysiert. Wenn ein Kunde beispielsweise Hosen einer bestimmten Marke häufig aufgrund der Passform zurückgeschickt hat, wird im Vorschlagsalgorithmus des Webshops diese Marke im Suchergebnis sehr weit unten angezeigt. Auf diese Weise kauft der Kunde sehr wahrscheinlich andere Hosen und die Retourenquote wird gesenkt. 

Effizientes Retourenmanagement führt zu optimalen Prozessen im Lager

Um Rücksendungen im Lager und der Logistik zeitsparend und effizient zu bearbeiten, müssen im Lager verschiedene Prozesse synchronisiert und gestreamlined werden. Dazu gehören der Wareneingang und die -registrierung, die Warenvorbereitung, Qualitätskontrolle und die Wiederverpackung und -einlagerung der Artikel. Diese Prozesse lassen sich durch IT (z. B. Shopsystem, ERP-Software) automatisieren. Beispielsweise können beim Versenden der Ware automatisch Retouren Papiere zusammen mit Retourenschein und Rücksendeetikett ausgedruckt werden. Die IT-Schnittstelle erlaubt eine kontinuierliche Synchronisierung mit allen Verkaufskanälen und Versanddienstleistern. So können Retouren genau nachverfolgt werden. Gleichzeitig werden bei der Rücksendung auch die Lagerbestände automatisch aktualisiert und die retournierten Artikel werden wieder in den Verkaufskreislauf eingefügt. Trotz Vernetzung mit der IT fallen natürlich im Retourenmanagement nach wie vor manuelle Arbeiten an. Z. B. muss die Ware manuell auf Wiederverkäuflichkeit geprüft werden. Dabei kann zumindest eine vollautomatische Erfassung von Bestelldaten und Rücksendegründen mittels computergestützter Kameras erfolgen. 

Andere Prozesse wie z. B. die Sortierung der Artikel, Verpackung und Wiedereinlagerung lassen sich allerdings automatisieren oder zumindest teilautomatisieren (3). Nach der manuellen Öffnung und Sortierung der Ware übernimmt ein Liniensorter, Taschensortierer (für Liege- als auch Hängeware) oder Sortierkreisel die Sortierung der Artikel z. B. nach Lagerzonen. Die Produkte werden in Behälter vorsortiert und dann über eine Fördertechnik in die entsprechende Lagerzone transportiert. Die Artikel können dann manuell oder auch automatisch eingelagert werden. Für die Zwischen- bzw. Pufferlagerung eignen sich z. B. Shuttlelager (4, 5) als automatisierte Retouren Lager. Mit Shuttlesystemen können pro Stunde mehrere Tausend Behälter automatisch ein- und ausgelagert werden. Bei der Einlagerung können Mischbehälter gebildet werden, um Verwechselungen von Artikeln bei der darauffolgenden Kommissionierung zu vermeiden. Das System achtet darauf, dass möglichst unterschiedliche Artikel eingelagert werden. Besonders im E-Commerce mit Bekleidung ist nicht mit einem Rückgang der Rücksendungen zu rechnen, daher ist hier eine Automatisierung des Retourenmanagements unverzichtbar. 

Für Händler ist häufig das Zerstören der Ware wirtschaftlicher als die Weiterverarbeitung oder Spende. Durch Smart Sorting kann der Wiederverkaufswert eines Artikels bestimmt werden. Beim Scan der Produkte wird durch eine Echtzeitanalyse unter Berücksichtigung von zahlreichen Parametern (u. a. Ursprungswert, Zustand, aktuelle Nachfrage des Artikels, Wiederaufbereitungskosten) festgestellt, ob sich beim Verkauf noch Profit erzielen lässt. Wenn nicht, werden die Artikel aussortiert und zerstört. 

Die Umweltbelastung durch Retouren ist enorm. Im Jahr 2018 betrug der CO2-Ausstoß aufgrund von Rücksendungen 238 000 Tonnen. Daher muss die Logistik generell aber auch die Retouren Logistik viel nachhaltiger werden. Mittlerweile gibt es Startups die sich als Dienstleister auf nachhaltige (Retouren-)Logistik spezialisiert haben. Das Startup Pick8Ship bietet z. B. ein nachhaltiges Mehrweg-Logistiksystem (6), das die ganze Supply-Chain abdeckt. Der Dienstleister nutzt dazu Multitask Handling Roboter, Smart Container, KI-gestützte Cloud-Software Betriebssystem und flexible Fahrzeug Optionen (E-Bikes, Lastenräder, Anhänger, Transporter und Lkw). 

Literatur:

1 Sara Herrera, Retouren: The struggle is real – Auf der Suche nach Lösungen!, Juni 2019, Handelskraft, Link 

2 KI im Kampf gegen Retouren, Februar 2021, IT4Retailers, Link 

3 Hofmann Sebastian, Effiziente Rücklieferungen, Technische Möglichkeiten des Retourenmanagements im E-Commerce, Mai 2018, MM Logistik, Link  

4 Wolfenstein, Konrad, Retourenmanagement: Herausforderung für die Lagerlogistik, Mai 2014, Xpert, Link 

5 Wareneingangsverarbeitung: Retourenabwicklung, Schnelle, genaue Bearbeitung zurückgegebener Waren, Dematic, Link 

6 PICK8SHIP System, Link 

BITO Fachwissen, Retourenmanagement als Grundlage für Geschäftserfolg, Link 

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