Klassifizierung schwer entflammbarer Kunststoffe

Die Baustoffklasse B1 aus DIN 4102-1 beschreibt in Deutschland schwer entflammbare Baustoffe. Flammhemmende Kunststoffe für Geräte und Apparate werden nach UL 94 klassifiziert.

Der Brandschutz im Unternehmen, in Produktions- und Lagerhallen hat höchste Priorität. Brände können insbesondere dann verheerende Ausmaße annehmen, wenn der Feuerschutz in Gebäuden ungenügend geplant und/ oder falsche Baustoffe bzw. Materialien für Bauteile in Geräten und Apparaten verwendet wurden. Die Bekämpfung von Bränden kann dann zum Albtraum werden (1). 

Baustoffe nach DIN 4102-1 und DIN EN 13501

Die Baustoffklasse B1 aus DIN 4102-1 beschreibt in Deutschland schwer entflammbare Baustoffe, die brennbar aber selbstverlöschend sind (2). Weitere Baustoffklassen sind A1 (nicht brennbar), A2 (nicht brennbar aber mit geringen Anteilen von brennbaren Baustoffen) und B2 (normal entflammbar). Der jeweilige Nachweis für eine Brandstoffklasse muss für alle Materialien erfolgen, die nicht in Teil 4 von DIN 4102 aufgeführt sind. Dazu müssen die Baustoffe den sog. Brandschachttest durchlaufen. Für B1 muss die Restlänge des getesteten Materials noch eine mittlere Restlänge von mehr als 15 cm aufweisen und die mittlere Rauchgastemperatur unter 200 Grad Celsius liegen. Die Norm wird allerdings nach und nach durch die europäische Norm DIN EN 13501-1 ersetzt, weshalb neue Baustoffe nach DIN EN 13501 klassifiziert werden. Zur schwer entflammbaren Baustoffklasse B1 gehören z. B. Korkmaterialien, bestimmte Kunststoffe aber auch spezielle Mineral- und Glasfaserplatten sowie Gipskartonplatten.

Brennbarkeit von Kunststoffen nach UL 94

Natürlich werden Kunststoffe auch als Bauteile in lagertechnischen Geräten und für Lagerboxen eingesetzt. Auch wenn verschiedene Normen für die Klassifizierung von Kunststoffen existieren, wird meist die international anerkannte Brennbarkeitsprüfung für Kunststoffe nach UL 94 (Tests for Flammability of Plastic Materials for Parts in Devices and Appliances, Prüfungen zur Brennbarkeit von Kunststoffen für Teile in Geräten und Anwendungen) der Underwriters Laboratories (UL) angewendet. Sie wurde inhaltsgleich in die Deutschen Industrie-Normen (DIN) IEC/ DIN EN 60695-11-10 sowie -20 übernommen. Im UL 94-System werden horizontale (H) und vertikale (V) Brennprüfungen durchgeführt und die Kunststoffe in verschiedene Brandklassen (HB, V-2, V-1, V-0, 5 VB, 5 VA) je nach ihrem Brandverhalten eingeteilt (3). Sie beziehen sich auf Materialien, die normalerweise bei der Produktion von Gehäusen, Bauteilen und Isolatoren in Elektronikprodukten eingesetzt werden. Die Entflammbarkeitseigenschaften bzw. das Brandverhalten werden in zwei verschiedenen Testarten geprüft. Im ersten Test wird die Neigung des Materials nach der Entzündung bestimmt, eine Flamme zu löschen oder zu verbreiten. Genauer gesagt, erfolgt die Klassifizierung nach Brenngeschwindigkeit, Verlöschungszeit, Tropfenbildung und Nachglimmdauer (4). Für jedes Material sind abhängig von der Hauptwanddicke verschiedene Klassifizierungen für das Brandverhalten möglich. Der zweite Test ermittelt den Zündwiderstand des Kunststoffs gegenüber elektrischen Zündquellen. Im Folgenden werden einige Brandklassen und ihre Eigenschaften beispielhaft aufgeführt. 

Klassifizierung von V-0, flammhemmende Kunststoffe: Der Prüfkörper zeigt bei vertikaler Flamme (Höhe 20 mm) eine Selbstverlöschung nach Abzug der Flamme nach max. 10 s. Das Nachglimmen dauert max. 30 s. Es treten keine brennenden Tropfen auf. 

Klassifizierung des Brandverhaltens von V-1-Kunststoffen: wie V-0 jedoch Nachglimmen dauert max. 60 s 

Klassifizierung des Brandverhaltens von V-2-Kunststoffen: wie V-1 jedoch Selbstverlöschung nach Abzug der Flamme nach max. 30 s. 

Beispiele für schwer entflammbare UL 94 V-0-Kunststoffe

Es existieren flammhemmende bzw. schwer entflammbare Polypropylene (PP) nach UL V-0 in Folien- und Plattenstärke, die auch teilweise als Feuersperre eingesetzt werden können. Diesen Kunststoffen bzw. Polypropylenen wird ein Additiv beigemischt, das die Entflammung, das selbstständige Weiterbrennen und/ oder das brennende Abtropfen für eine bestimmte Zeit oder ganz verhindern soll. Polypropylen ist ein leicht zu bearbeitender thermoplastischer Kunststoff mit einer geringen Dichte (0,91 g/cm³), relativ kleinem Elastizitätsmodul (1400 N/mm²) und hoher Laugen- und Säurebeständigkeit. Aufgrund seiner Eigenschaften wird Polypropylen häufig im Behälterbau, in der Lagertechnik sowie im Anlagen- und Lüftungsbau verwendet. Polypropylen gehört allgemein zu den sehr stark genutzten Kunststoffen (5). Es existiert allerdings eine Vielzahl an UL 94 V-0-Stoffen wie beispielsweise spezielles Polyamid für Kabelverschraubungen oder auch additive Werkstoffe wie PA2210-FR, PA2241-FR, ULTEM 9085, ULTEM 1010 (6). In der Lagertechnik wird Polypropylen ebenso in seiner UL 94 V-0-Variante für Lager- und Gefahrgutbehälter, Haken für Absperrungen, Verpackungen aber auch in Geräten, Apparaten und Flurförderzeugen eingesetzt. 

Nachteile der UL 94-Kunststoffe

Im Bereich der Intralogistik wird auf UL 94-Kunststoffe fast vollständig verzichtet, da sie nach wie vor große Nachteile haben und auch nicht zu einer Senkung der Prämien bei den Brandschutz-Versicherungen führen. 

Bei einem Brand und auch schon bei der Produktion der teuren flammhemmenden Kunststoffe werden oftmals toxische Substanzen wie Halogene freigesetzt. Bei einem Lagerbrand werden Kunststoffbehälter aus UL 94- bzw. flammhemmenden Kunststoffen mitsamt dem Inhalt automatisch zu giftigem Sondermüll. Dieser Sondermüll muss natürlich kostspielig entsorgt werden. Wie schon erwähnt, weigern sich die Feuerschutz-Versicherer aufgrund des Einsatzes von flammhemmenden Kunststoffen Prämien zu reduzieren. Die Versicherer argumentieren, dass diese Stoffe zwar schwerer entflammbar sind, aber letztlich nichts an der Brandlast der eingesetzten Polypropylene ändern. 

Um die Brandgefahr in Lagern zu verringern, werden meistens Sprinkleranlagen eingebaut (1, 7). Grundsätzlich ist für den Feuerschutz im Unternehmen der jeweilige Anlagenbetreiber verantwortlich. Sprinkleranlagen sind ab einer Regalhöhe von 7,5 m vorgeschrieben. Es existieren viele Normen und Richtlinien auch für den Brandschutz eingesetzter Kunststoffboxen (8, FM Global, VdS). Diese Kunststoffbehälter besitzen Wasserablauflöcher, die das Löschwasser der Sprinkleranlagen kaskadenartig an untere Regalebenen abgeben und somit zur Brandbekämpfung beitragen. 

Literatur 

1 Bito Fachwissen, Einfache Maßnahmen für den Brandschutz im Lager, Link 

2 Schwer entflammbar - Definition, König Konzept, Link 

3 Übersicht über die Klassifizierung nach UL 94, Professional Plastics, Link 

4 Flammwidrigkeit von Kunststoffen - UL 94, Bopla Gehäuse Systeme GmbH, Link 

5 Polypropylen (PP): hier versteckt sich der Kunststoff – und das sind die Alternativen, smarticular Verlag, Link 

6 Schwer entflammbare 3D Materialien nach UL94V0-Norm, 3 D Activation GmbH, Link 

7 BITO Fachwissen, Bestimmungen für Sprinkleranlagen und Lagereinrichtung, Link 

8 BITO Fachwissen, Brandschutz bei wasserdurchlässigen Kunststoff-Ladungsträgern, Link 

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